Angst als Mittel der Wahl

 

Mein Ding ist die „Erziehung“, beruflich schon länger – privat auch schon fast zehn Jahre. Und immer noch bin ich Lernende – noch immer und immer wieder. Was mir aber manchmal schon ganz gut gelingt, ist, der Blick von außen – der Blick auf das „größere“ Ganze.

 

So geht`s mir auch aktuell gerade, wenn ich die neuesten Medienberichte und Kommentare aufnehme – Bundeskanzler kurz hätte uns bewusst Angst gemacht – großer Aufschrei!

 

 

Natürlich hat er das. Wir alle tun das. Oft.

 

 

„Wenn du dir nicht die Zähne putzt, dann werden deine Zähne alle schwarz und fallen dir aus“

 

„Wenn du jetzt nicht sofort mitkommst, gibt es heute keine Gute-Nacht-Geschichte und du musst alleine einschlafen“

 

„Wenn du dich jetzt nicht bald ein bisschen bemühst und mehr übst, kommst du ganz sicher nicht ins Gymnasium, so wie deine Freunde!“

 

„Zieh dir was an, sonst erkältest du dich, dann kannst du nicht mit uns in die Therme gehen“

 

 

Oft ist das Angstmachen Mittel der Wahl – oft sogar die erste Wahl. Völlig unbewusst sprudelt es aus uns heraus – in Situationen mit hohem Stresslevel noch viel schneller und leichter. Wir haben es so gelernt, die meisten sind so aufgewachsen und sozialisiert, wenngleich oft mit ungutem Beigeschmack. Angst und ihre Kumpanen Druck, Erpressung, Lob und Belohnung sind uns allen wohlbekannt – als Opfer und als Täter. Und das nicht nur in der Kindheit, sondern ich behaupte, das Programm läuft auch später immer wieder: in der Ausbildung, im Beruf, im Freundeskreis, im Konsumverhalten, ….

 

Ich hatte ziemliches Glück – mein Erstgeborener hat mir recht schnell klar gemacht, dass diese bewährten Durchsetzungsstrategien und Erziehungsmaßnahmen bei ihm nicht ziehen (oder war es doch mein Bauchgefühl, das sich gemeldet hat, wenn ich gedroht, erpresst und Druck gemacht habe)

 

Ich habe mich sehr viel mit demokratischer Erziehung und einem beziehungsorientierten Miteinander beschäftigt und mache es weiterhin, weil es mir ein Anliegen ist, und weil ich merke, dass es mir entspricht. Ich versuche Kindern auf Augenhöhe zu begegnen, mich auf sie einzulassen und zu überlegen, was hinter einem bestimmten Verhalten steht. (bei Erwachsenen mach ich das auch von Zeit zu Zeit 😉)

 

Streckenweise geht das recht gut - manchmal funktioniert es gar nicht und aus meinem Mund platzen Wörter, die ich so nie sagen wollte. Ja, wirklich wahr, das passiert! Gerade jetzt sogar öfter.

 

Warum? Weil wir uns gerade in einer noch nie dagewesenen Ausnahmesituation befinden, weil wir alle nicht wissen wie es weiter geht. Weil wir nun nicht auf Erfahrungswerte zurückgreifen können …

 

Was mir als Mutter aber jetzt am wenigsten hilft, sind Menschen, die mit dem Finger auf mich zeigen, mich kritisieren und wissen, wie man es besser macht. Als Erwachsener und bewusster Mensch, ist es mir möglich zu reflektieren, mir klar zu werden warum ich wie reagiert habe und was dahintersteckt. Gleichzeitig habe ich das Vertrauen in mich, dass ich mit den Anforderungen, mit denen ich konfrontiert werde, klar komme.

 

 

 

Das Tolle ist: wir dürfen lernen.  Wie fühlt sich das an, wenn mir jemand große Angst macht, damit ich mich so verhalte wie er es für richtig hält?

 

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